Datum: 15. Februar 2022

Gericht: OLG Hamm

Spruchkörper: 4. Zivilsenat

Entscheidungart: Urteil

Aktenzeichen: 4 U 142/21

ECLI: ECLI:DE:OLGHAM:2022:0215.4U142.21.00


Vorinstanz: Landgericht Dortmund, 18 O 26/21

Schlagworte:  Heilmittelwerbung; Werbegabe; Gutschein; Fortbildungsveranstaltung
Normen:  HWG § 7
Leitsätze:  „Gratis-Gutschein“ für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung als Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG.


Tenor:       Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 26.08.2021 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund abgeändert.

 

Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben gegenüber Apotheker/innen mit einer Gratis-Fortbildung zu werben und/oder diese wie angekündigt zu gewähren:

 

(Fotokumentation)

 

 

Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder die Verhängung von Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist.

 

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.


G r ü n d e

 

A.

 

1  Der Verfügungskläger ist in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen.

 

2  Die Verfügungsbeklagte stellt Produkte für die Versorgung akuter und chronischer Wunden her und vertreibt diese unter der Marke „DRACO“. U.a. bietet sie das „DRACO Wund-Kompetenz-Center“ an: Es handelt sich hierbei um einen vorwiegend zum Einsatz in Apotheken vorgesehenen Aufsteller, der mit verschiedenen Wundversorgungsprodukten (Pflastern, Tapes, Wundverbänden, Mullkompressen, Fixier- und Idealbinden) aus der Produktion der Verfügungsbeklagten bestückt ist (Informationsblatt Anlage 5 = Blatt 26-27 der Gerichtsakte).

 

3  Ab einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.07.2021 bewarb die Verfügungsbeklagte das „DRACO Wund-Kompetenz-Center“ gegenüber Apothekern mit dem nachfolgend abgebildeten Werbeflyer

 

(Fotokumentation)

 

(Fotokumentation)

 

6  Anbieterin der in dem Werbeflyer genannten „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ ist die „B GmbH & Co. KG“ mit Sitz in C (D). Kursinhalte dieser mit einer Online-Prüfung abschließenden Fernfortbildung sind nach den Angaben der genannten Anbieterin (Internetausdruck Anlage AG 1 = Blatt 52 der Gerichtsakte) folgende Themen: „Wundversorgung in der Apotheke – Marktüberblick“, „Grundlagenwissen Wundtherapie 1: Wundheilung“, „Grundlagenwissen Wundtherapie 2: Wundursachen“,

 

7  „Grundlagenwissen Wundtherapie 3: Wundbehandlung“, „Kommunikation – Adhärenz als Schlüssel zum Therapieerfolg“, „Fachberatung in der Apotheke“, „Wundversorgung als Differenzierungsmerkmal“.

 

8  Die Teilnahme an akkreditierten und im Rahmen dieser Akkreditierung mit Punkten bewerteten Fortbildungsmaßnahmen ermöglicht es Apothekern und Apothekenmitarbeitern, nach dem Erhalt einer bestimmten Mindestpunktzahl das Fortbildungszertifikat der für sie zuständigen Apothekerkammer zu erwerben; Apotheker können hierdurch ihrer berufsrechtlichen Fortbildungsverpflichtung genügen (vgl. z.B. die „Satzung zum Erwerb des Fortbildungszertifikats für Apothekerinnen und Apotheker der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 19.06.2019“ [AKWL-Mitteilungsblatt 05-2019, S. 30] und die „Satzung zum Erwerb des Fortbildungszertifikats für Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten, Apothekerassistentinnen und -assistenten, Pharmazieingenieurinnen und -ingenieure, Apothekenassistentinnen und -assistenten und Pharmazeutische Assistentinnen und Assistenten der Apothekerkammer Westfalen-Lippe vom 19.06.2019“ [AKWL-Mitteilungsblatt 05-2019, S. 33]).

 

9  Der Verfügungskläger erhielt am 12.07.2021 Kenntnis von dem Werbeflyer der Verfügungsbeklagten und mahnte diese daraufhin mit Schreiben vom 14.07.2021 (Anlage 6 = Blatt 28-31 der Gerichtsakte) ab. Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit der Inaussichtstellung eines „Gratis-Gutscheins“ für die Teilnahme an der  „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ für den Fall einer Bestellung des „DRACO Wund-Kompetenz-Centers“ stelle einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) dar.

 

10  Die Verfügungsbeklagte wies den Vorwurf des Verfügungsklägers mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.07.2021 (Anlage 7 = Blatt 32-33 der Gerichtsakte) zurück. Die in Rede stehende Werbung unterfalle der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 2 HWG.

 

11  Der Verfügungskläger hat gegenüber dem Landgericht die Argumentation aus seiner Abmahnung wiederholt und vertieft. Die verfahrensgegenständliche Werbung der Verfügungsbeklagten verstoße gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Es liege keiner der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 HWG aufgeführten Ausnahmefälle vor. Auch die Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 2 HWG sei nicht anwendbar: Diese Regelung erfasse nach ihrem Wortlaut nur Zuwendungen „im Rahmen“ berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen, nicht hingegen die Teilnahme an der Veranstaltung als solche.

 

12  Der Verfügungskläger hat beantragt,

 

13        die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung und unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben gegenüber Apotheker/innen mit einer Gratis-Fortbildung zu werben und/oder diese wie angekündigt zu gewähren:

 

14      (es folgt die Einblendung des Werbeflyers der Verfügungsbeklagten).

 

15  Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

 

16        den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

17  Die Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, die verfahrensgegenständliche Werbung mit einem Gutschein für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung unterfalle von vornherein nicht dem in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ausgesprochenen Verbot. Sollte die letztgenannte Vorschrift doch anwendbar sein, handele es sich bei der in der Werbung angekündigten Gutschein-Gewährung im Ergebnis um einen Barrabatt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG, der überdies auch nach § 7 Abs. 2 HWG zulässig sei.

 

18  Mit dem angefochtenen, am 26.08.2021 verkündeten Urteil hat die IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das Landgericht ausgeführt, die verfahrensgegenständliche Werbung sei nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG zulässig.

 

19  Gegen dieses Urteil wendet sich der Verfügungskläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

 

20  Der Verfügungskläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

 

21  das angefochtene Urteil abzuändern und die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung und unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben gegenüber Apotheker/innen mit einer Gratis-Fortbildung zu werben und/oder diese wie angekündigt zu gewähren:

 

22 (es folgt die Einblendung des Werbeflyers der Verfügungsbeklagten).

 

23  Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

24 Die Verfügungsbeklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

 

25 Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte (Blattzahlen sind Blattzahlen in der Papierakte) angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.

 

B.

 

26 Die – zulässige – Berufung des Verfügungsklägers hat auch in der Sache Erfolg. Der – zulässige – Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet.

 

27 I. Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 1 UWG ist nicht widerlegt.

 

28 II. Es besteht auch ein Verfügungsanspruch. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG.

 

29 1. Die verfahrensgegenständliche Werbung der Verfügungsbeklagten verstößt gegen das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG normierte Verbot, im Anwendungsbereich der letztgenannten Vorschrift Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren.

 

30  a) Das Heilmittelwerbegesetz ist auf die verfahrensgegenständliche Werbung anwendbar. Bei den im „DRACO Wund-Kompetenz-Center“ enthaltenen Wundversorgungsprodukten handelt es sich um Medizinprodukte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG.

 

31  b) In den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes einbezogen ist allein die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht dagegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt; die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht; diese Grundsätze gelten insbesondere auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbegaben (BGH, Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 99/07 – [DeguSmiles & more], juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Der hiernach erforderliche Produktbezug liegt unzweifelhaft vor: Die verfahrensgegenständliche Werbung dient dem Absatz eines konkreten Produktes („DRACO Wund-Kompetenz-Center“), den „Gratis-Gutschein“ für die Teilnahme an der „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ sollen die von der Werbung angesprochenen Personen im Falle einer Bestellung dieses konkreten Produktes erhalten.

 

32  c) Bei dem „Gratis-Gutschein“ für die Teilnahme an der „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ handelt es sich um eine „Werbegabe“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG.

 

33  aa) Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG lässt im Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) sowohl bei der Publikumswerbung als auch bei der Werbung gegenüber den Fachkreisen lediglich in den in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 HWG geregelten Fällen zu. Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist dabei weit auszulegen und erfasst grundsätzlich jede im Zusammenhang mit der Werbung für die in § 1 Abs. 1 HWG aufgeführten Produkte gewährte unentgeltliche Vergünstigung (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10 – [DAS GROSSE RÄTSELHEFT], juris, Rdnr. 22 m.w.N.).

 

34  bb) Der von der verfahrensgegenständlichen Werbung angesprochene Verkehr versteht den Gutschein für die Teilnahme an der „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ (oder – mit anderen Worten – die Übernahme des Teilnahmeentgelts für diese Fortbildungsveranstaltung durch die Verfügungsbeklagte) insbesondere wegen der ausdrücklichen Bezeichnung als „Gratis“-Gutschein und der besonders hervorgehobenen Werbeaussage „Gratis zu Ihrer WKC-Bestellung“ als unentgeltliche Vergünstigung, die die Verfügungsbeklagte Bestellern des „DRACO Wund-Kompetenz-Centers“ gewährt.

 

35  cc) Die von der Verfügungsbeklagten unter Hinweis auf die BGH-Entscheidungen „Fortbildungs-Kassetten“ (BGH, Urteil vom 21.06.1990 – I ZR 240/88 – [Fortbildungs- Kassetten], juris) und „Arzneimitteldatenbank I“ (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 13/10 – [Arzneimitteldatenbank I], juris) vertretene Auffassung, die Ermöglichung der Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung könne von vornherein keine „Werbegabe“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG darstellen, vermag nicht zu überzeugen. Aus den beiden vorgenannten BGH-Entscheidungen ergibt sich vielmehr das Gegenteil. So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Fortbildungs- Kassetten“ Folgendes ausgeführt:

 

36      „(…) Die Vorschrift des § 7 HWG verbietet – ihrem Wortlaut nach eindeutig – grundsätzlich und generell jede Art von

Werbegaben, soweit diese nicht unter die in der Vorschrift selbst erschöpfend genannten Ausnahmetatbestände fallen; Zweck der Bestimmung ist es, durch diese weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Wertwerbung ausgehen kann (vgl. […]). Diese Zielsetzung erfordert es, den Begriff der Werbegabe nicht eng, sondern im Sinne aller geldwerten Vergünstigungen zu fassen (vgl. […]), die im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel gewährt werden. Demgemäß kann – entgegen der Meinung der Revision – auch ein Medium der Fachinformation (Kassette, Zeitschrift, Buch u.a.) grundsätzlich als Werbegabe im Sinn des § 7 HWG in Betracht kommen, wenn es kostenlos an Ärzte abgegeben wird und diese Abgabe in einem dem Gesetzeszweck genügenden Zusammenhang mit der Werbung für ein Arzneimittel steht. (…)“ (BGH, Urteil vom 21.06.1990 – I ZR 240/88 – [Fortbildungs-Kassetten], juris, Rdnr. 23)

 

37  Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung

 

38  „Arzneimitteldatenbank I“ ausdrücklich bestätigt:

 

39    „(…) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG weit auszulegen ist und

grundsätzlich jede unentgeltliche Vergünstigung erfasst, die im Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel gewährt wird (vgl. […]). Wie der Senat in der Entscheidung „Fortbildungs-Kassetten“ entschieden hat, kann im Hinblick auf das mit § 7 HWG verfolgte Ziel, durch weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, auch ein Medium der Fachinformation wie etwa eine Kassette, eine Zeitschrift oder ein Buch als Werbegabe im Sinn dieser Vorschrift in Betracht kommen, wenn es kostenlos an Ärzte abgegeben wird und diese Abgabe in einem dem Gesetzeszweck genügenden Zusammenhang mit der Werbung für Arzneimittel steht (…). Das Berufungsgericht hat aber mit Recht in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass zwischen der Zuwendung und der Heilmittelwerbung ein Zusammenhang bestehen muss und dass für die Frage, ob ein solcher Zusammenhang besteht, auf die Sicht der Empfänger abzustellen ist. Denn mit dem Verbot der Werbegaben soll der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Angehörigen der Heilberufe begegnet werden, die von derartigen Zuwendungen ausgeht. Eine solche auch nur abstrakte Gefahr besteht nicht, wenn die Angehörigen der Heilberufe, die als Empfänger in Betracht kommen, in der fraglichen Zuwendung kein Werbegeschenk sehen. (…)“ (BGH, Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 13/10 – [Arzneimitteldatenbank I], juris, Rdnr. 15)

 

40  Für die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Übernahme des Teilnahmeentgelts für eine von einem Dritten angebotene Fortbildungsveranstaltung als Vergünstigung für die Bestellung eines bestimmten Produktes kann nichts anderes gelten als für die vom Bundesgerichtshof angesprochene kostenlose Abgabe von Fachinformationsmedien wie Kassetten, Zeitschriften oder Büchern als Werbegeschenke.

 

41  dd) Ebensowenig zielführend sind die Verweise der Verfügungsbeklagten auf Dieners (Dieners, Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3. Aufl. [2010], Kap. 2, Rdnrn. 63, 65, 66, 69) und Doepner/Reese (Doepner/Reese, Heilmittelwerbegesetz,

 

42  3. Aufl. [2018], § 7 Rdnrn. 84, 96): Keine der genannten Literaturstellen befasst sich mit der hier in Rede stehenden Sachverhaltskonstellation der Übernahme des Teilnahmeentgelts für eine von einem Dritten angebotene Fortbildungsveranstaltung als Vergünstigung für die Bestellung eines bestimmten Produktes. Die genannten Literaturstellen erörtern vielmehr im Wesentlichen die – hier nicht relevanten – Fragen, ob Hersteller und Händler von unter das Heilmittelwerbegesetz fallenden Produkten selbst Fortbildungsveranstaltungen ausrichten oder finanzieren dürfen und ob und gegebenenfalls in welcher Form sie auf derartigen Veranstaltungen Werbung treiben dürfen.

 

43  Die von der Verfügungsbeklagten ferner angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG München, Urteil vom 09.06.2011 – 29 U 2026/08 [Arzt-Seminare, FSA-Kodex], juris) betraf einen Fall nicht produktbezogener, sondern allgemeiner Unternehmens- und Imagewerbung, auf die das Heilmittelwerbegesetz gar nicht anwendbar ist (vgl. OLG München, Urteil vom 09.06.2011 – 29 U 2026/08 – [Arzt-Seminare, FSA-Kodex], juris, Rdnr. 41).

 

44  ee) Zutreffend hat die Verfügungsbeklagte allerdings darauf hingewiesen, dass eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nur dann vorliegt, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet (BGH, Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 83/12 – [Testen Sie Ihr Fachwissen], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot der Wertreklame soll (nur) solche Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe bestimmter Produkte zu wecken (BGH, Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 83/12 – [Testen Sie Ihr Fachwissen], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Eine abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten liegt hier indes vor. Es besteht die Gefahr, dass die von der verfahrensgegenständlichen Werbung angesprochenen Apotheker sich gerade deshalb für das beworbene Produkt der Verfügungsbeklagten entscheiden und dieses zum Bestandteil des Verkaufssortiments ihrer Apotheke machen, weil sie hierdurch einen persönlichen wirtschaftlichen Vorteil erlangen können, nämlich die unter normalen Umständen entgeltpflichtige, hier indes ausnahmsweise als Werbegeschenk kostenfreie Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme, die ihnen wiederum den Erwerb des Fortbildungszertifikats der für sie zuständigen

 

45  Apothekerkammer und damit die Erfüllung ihrer berufsrechtlichen Fortbildungspflicht ermöglicht. Nicht umsonst weist die Verfügungsbeklagte in dem verfahrensgegenständlichen Werbeflyer besonders hervorgehoben auf den mit der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme verbundenen Erwerb von „7 Akkreditierungspunkten“ hin.

 

46  d) Das Inaussichtstellen des Gutscheins ist nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG zulässig. Bei dem Gutschein handelt es sich – ungeachtet des Umstandes, dass in dem Werbeflyer der Wert des Gutscheins in € angegeben wird – nicht um einen  „bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag“. § 7 HWG erfasst sowohl Sach- als auch Geldzuwendungen und trifft insofern differenzierende Regelungen. Bei der Ermöglichung der kostenlosen Teilnahme an einer konkret bezeichneten Fortbildungsveranstaltung – und nur an dieser konkreten Fortbildungsveranstaltung – handelt es sich um eine Sachzuwendung. Diese wird nicht dadurch zu einer in den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG fallenden Geldzuwendung, dass bei ihrer Gewährung ihr Wert in € angegeben wird. Ein solches Verständnis des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG würde das Regelungsgefüge des § 7 HWG ad absurdum führen: Der Werbende müsste bei einer Sachzuwendung lediglich deren Wert angeben, um in den Genuss der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG zu kommen.

 

47  Ob (Einkaufs-)Gutscheine, die den Gutscheinempfänger zum Erwerb beliebiger Produkte berechtigen, im Ergebnis wie eine Geldzuwendung anzusehen sind (so OLG Bamberg, Urteil vom 09.10.2013 – 3 U 48/13 –, juris, Rdnr. 34 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 25.08.2011 – 327 O 141/11 –, juris, Rdnr. 39), bedarf hier keiner Erörterung.

 

48  Die von der Verfügungsbeklagten angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg, Urteil vom 20.06.2019 – 3 U 137/18 –, juris) betraf schließlich die Werbung mit einer unter bestimmten Bedingungen erfolgenden Kaufpreisrückerstattung (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 20.06.2019 – 3 U 137/18 –, juris, Rdnr. 1), die fraglos in den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) HWG fällt.

 

49  e) Die Ermöglichung der Teilnahme an der „Fernfortbildung Fachberater/in Wundversorgung in der Apotheke“ ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG („handelsübliche Nebenleistung“) oder nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG („Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen“) zulässig. Diese Regelungen sind allenfalls dann anwendbar, wenn die Fortbildungsveranstaltung nur der Einweisung in die konkret beworbenen Produkte dient (Dieners, Handbuch Compliance im Gesundheitswesen, 3. Aufl. [2010], Kap. 2, Rdnr. 68), was hier indes nach den mitgeteilten Kursinhalten nicht der Fall ist.

 

50  f) Der von der Verfügungsbeklagten versprochene Gutschein unterfällt schließlich auch nicht der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 2 HWG. Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift – namentlich den Formulierungen „(…) im Rahmen ausschließlich berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen (…)“ und „(…) in Bezug auf den wissenschaftlichen Zweck der Veranstaltung von untergeordneter Bedeutung sind (…)“ (Hervorhebungen durch den Senat) – ergibt, ist die Übernahme des Teilnahmeentgelts für eine Veranstaltung – und damit letztlich die Veranstaltung als solche – von dieser Ausnahmeregelung gerade nicht erfasst.

 

51  2. Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG. Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.

 

C.

 

52  Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.