Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erleben gerade turbulente Zeiten. Die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie stellt die Weltbevölkerung vor letztlich nicht konkretisierbare Herausforderungen, die sich auf vielen Ebenen zeigen: im privaten Umfeld, im beruflichen Kontext, in allen Wirtschaftszweigen, regional, national und global. Dabei stelle ich eine Entwicklung fest, die meine Sympathie findet: weniger Diskussionen, mehr Entscheidungen, dies alles bei zügigem Tempo.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag kritisches Hinterfragen sowie das Bewerten von kreativen Lösungsansätzen. Allerdings lege ich auch Wert auf ein rechtzeitiges Ende der Diskussion durch Entscheidung und deren Umsetzung. Auch wenn ich nicht immer mit allem einverstanden bin, akzeptiere ich eine Entscheidung als Beginn eines Vorankommens, schließlich bleiben spätere Kurskorrekturen erlaubt.

 

In der derzeitigen Situation erleben wir viele Entscheidungen, die Konsequenzen für den Gesundheitsmarkt haben. Die Medizinprodukteindustrie wird von der Europäischen Kommission ausdrücklich als systemrelevant anerkannt, eine wichtige Grundlage für weitere Maßnahmen und neue Entwicklungen. Die Beschränkung des globalen Warenverkehrs für Schutzmasken führt zu der Entscheidung, mehr auf nationale und europäische Produktion und Lieferketten zu setzen. Dabei wird anerkannt, dass die Hersteller eine verlässliche Basis für ihre Investitionsentscheidungen brauchen, und zwar durch Investitionszuschüsse und langfristige Verträge mit Abnahmegarantie. Dies ist fast revolutionär, hat man bislang doch auf die Macht des Wettbewerbs gesetzt und den Gesundheitsmarkt vornehmlich als Wirtschaftsmarkt betrachtet. Es gibt neue Trends in der Vernetzung ohne größere Compliance-Diskussion: Medizinprodukteunternehmen überlassen ihre wertvollen Fachkräfte zur Gesundheitsversorgung den Kliniken, die Krankenhäuser unterhalten sich über ihre Warenvorräte und helfen sich aus.

 

Auch aus regulatorischer Sicht wird man pragmatisch: zur Bewältigung der aktuellen Krisensituation sollen Medizinprodukte auch ohne CE-Kennzeichnung, Konformitätserklärung und Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache marktfähig sein, wenn sie in den USA, Kanada, Australien oder Japan verkehrsfähig sind. Zudem hat sich die Europäische Union tatsächlich dazu entschlossen, den Geltungsbeginn der MDR zu verschieben. Mehr dazu erfahren Sie in den „Breaking News“ in diesem Heft. Auf die Inhalte des Medizinprodukte-Durchführungsgesetzes außerhalb der Regelungen für klinische Prüfungen geht Volker Lücker ein. Marie Anton und Heike Wollersen erheben den Status quo zu den delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten zur MDR.

 

Es wäre wünschenswert, wenn der neue Schwung auch nach Entschärfung der Krise beibehalten würde. Wie kann es sein, dass Medizinproduktehersteller immer noch in ein regulatorisches Dilemma geschickt werden, weil es einen unerträglichen Stau bei der Veröffentlichung von harmonisierten Normen gibt? Informieren Sie sich über die Auswirkungen auf die Konformitätsvermutung durch den Aufsatz von Wolfgang Leetz und Hans- Volkhard Lempp. Auch bei allen Neuerungen werden grundlegende Regeln uns weiter begleiten: die kartellrechtliche Bewertung von Sachverhalten bleibt in der Medizinprodukteindustrie aktuell und beachtenswert. Vertiefen Sie Ihre Kenntnisse durch den Aufsatz von Christian Burholt und Katrin Kurz.

 

Ich wünsche Ihnen viel Inspiration bei dem Lesen dieses Heftes und: bleiben Sie gesund!

 

Ihre

Dr. Annika S. Bien