Datum: 13. Juni 2023

Gericht: VG Köln

Spruchkörper: 7. Kammer

Entscheidungart: Urteil

Aktenzeichen: 7 K 1800/18

ECLI: ECLI:DE:VGK:2023:0613.7K1800.18.00


 
Rechtskraft:   nicht rechtskräftig


Tenor:   Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.


1   Tatbestand

 

2   Die Beteiligten streiten über die Frage, ob das von der Klägerin als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebrachte Produkt „Padma Basic“ ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ist.

 

3   Eine Kapsel des Präparats enthält folgende pflanzliche Inhaltsstoffe:

 

4   – Isländisch Moos (Lichen islandica): 40 mg

 

5   – Nimbaumfrucht (Meliae tousend frucuts): 35 mg

 

6   – Kardamomenfrucht (Cardamomi frucuts): 30 mg

 

7   – Rotes Sandelholz (Sntali rubri lignum): 30 mg

 

8   – Pimentfrucht (Aomi rucuts): 25 mg

 

9   – Süßholzwurzel (Liquirtae radix): 15 mg

 

10   – Spitzwegerich (Plantaginis herba): 15 mg

 

11   – Gewürznelke (Caryophylli flos): 12 mg

 

12   – Baldrianwurzel (Valerianae radix): 10 mg

 

13   – Gartenlattichblätter (Lactucae sativae folium): 6 mg

 

14   – Ringelblumenblüten (Calendulae flos): 5 mg

 

15   – Kampher (D-Camphora): 4 mg

 

16   – Vogelknöterichkraut (Polygoni avicularis herba): 15 mg

 

17   – Akeleikraut (Aquilegiae vulgaris herba): 15 mg

 

18   – Goldfingerkraut (Potentillae aureae herba): 15 mg

 

19   – Marmelosfrucht (Aegle sepiar frucuts): 20 mg

 

20   – Indische Custuswurzel (Costi amari herba): 40 mg

 

21   – Myrobalanen (Myrobalani frucuts): 30 mg

 

22   – Indische Gewürzlilie (Kaempheria galanga Rhizoma): 10 mg

 

23   – Sidakraut (Sidae cordifoliae herba): 10 mg

 

24   Als Tagesdosis werden „2 Kapseln täglich (…) vor einer Hauptmahlzeit“ angegeben.

 

25   Mit Schriftsatz vom 21. November 2008 beantragte das Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz des Saarlandes beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Einleitung eines Verfahrens nach § 21 Abs. 4 AMG.

 

26   Mit Bescheid vom 28. September 2010 stellte das BfArM fest, dass es sich bei den Präparaten Padma Basic Tabletten und Padma Basic Kapseln um zulassungspflichtige Arzneimittel handele. Sie seien als Funktionsarzneimittel zu qualifizieren. Laut den Angaben des damaligen Herstellers handele es sich bei diesen Produkten um das gleiche Produkt wie Padma 28 (im Folgenden: Padma 28 (Deutschland)), welches Gegenstand des Urteils vom Bundesverwaltungsgericht vom 14. Dezember 2006 mit dem Aktenzeichen 3 C 40.05 gewesen sei. In diesem habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es sich bei dem als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr befindlichen Produkt um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele. Auch nach Überprüfung der Inhaltsstoffe und entsprechend der Angaben der damaligen Herstellerin seien die vom Bescheid betroffenen Produkte identisch zu Padma 28 (Deutschland), sowohl im Hinblick auf die Zusammensetzung als auch auf die Dosierung. In dem rechtskräftigen Verfahren werde die pharmakologische Wirkung im Gesamtprodukt bewertet, sodass auch für die Einstufung der vom Bescheid umfassten Produkte als Funktionsarzneimittel die Wirkung der Gesamtzubereitung entscheidend sei und die Wirkung der einzelnen Stoffe nur hilfsweise betrachtet werde. In der Schweiz sei zudem das als Arzneimittel zugelassene Produkt Padma 28 (im Folgenden: Padma 28 (Schweiz)) im Verkehr. Es enthalte zusätzlich zu den vom Bescheid umfassten Präparaten 1 mg Eisenhutknolle pro Tablette/Kapsel. Als Initialdosis sollten 3 x 2 Tabletten bzw. Kapseln täglich genommen werden; als Erhaltungsdosis 1-2 Tabletten bzw. Kapseln. Als Wirkungsmechanismus werde in der Fachinformation beschrieben:

 

27   „Padma 28 ist ein in der Schweiz nach einem bewährten Rezept der tibetanischen Medizin hergestelltes Arzneimittel. Es enthält einen komplexen, hauptsächlich pflanzlichen Wirkstoff, der gemäß den Prinzipien und Erkenntnissen der tibetanischen Medizin aus Hauptkomponenten und Nebenkomponenten zusammengesetzt ist: Die Nebenkomponenten modulieren die Wirkung der Hauptkomponente und fangen deren unerwünschten Wirkungen auf. Die einzelnen Komponenten liegen in geringer Dosis vor und erzielen die therapeutische Wirkung auf additive, synergistische und antagonistische Weise. Der Wirkstoff enthält unter anderen folgende Gruppe relevanter Inhaltsstoffe, welche gemäß bibliografischer Berichte folgende Wirkungen haben: ätherisches Öl mit den Hauptkomponenten D-Campher (in höher Dosierung kreislauftonisierend und Arbeitstoleranz verbessernd) und Eugenol (antibakteriell und lokal analgetisch) sowie Flavonoide (entzündungshemmend, antioxidativ, Metallchelate bildend) und Gerbstoffe (lokal entzündungshemmend, antioxidativ).“

 

28   Auch diese Aussagen unterstützten die Bewertung der pharmakologischen Wirkung des Gesamtprodukts und nicht der einzelnen Bestandteile. Die als Hauptkomponenten genannten Inhaltsstoffe fänden sich in gleicher Dosierung in den vom Bescheid umfassten Tabletten und Kapseln. In der von der Schweizer Zulassungsbehörde autorisierten Fachinformation für Padma 28 (Schweiz) heiße es zudem:

 

29   „Klinische Wirksamkeit: Unter Therapie mit Padma 28 wurde bei Patienten mit PAVK Stadium II (Fontaine) eine signifikante und klinisch relevante Verlängerung der maximalen und der schmerzfreien Gehstrecke nachgewiesen. Ferner wurde einer Verbesserung hämodynamischer Funktionsparameter (…) festgestellt.“

 

30   Aus der Zulassung der Schweizer Behörde und aus der Literatur zu verschiedenen Studien ergebe sich, dass es sich bei Padma 28 (Schweiz) um ein Arzneimittel mit therapeutischer Wirkung handele. Der geringfügige Unterschied in der Zusammensetzung von Padma Basic und Padma 28 (Schweiz) führe nicht zu einer Änderung der Wirkung von pharmakologisch in ernährungsphysiologisch. Bei den vom Beschluss umfassten Präparaten handele es sich zudem um Präsentationsarzneimittel. Durch die im Internet erhältlichen Informationen gehe der durchschnittliche informierte Verbraucher davon aus, dass Padma Basic über die gleichen arzneilichen Wirkungen verfüge, wie das das zugelassene Arzneimittel Padma 28 (Schweiz).

 

31   Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass Padma Basic weder eine pharmakologische Wirkung entfalte, noch als Arzneimittel präsentiert werde. Es handele sich nicht um ein Funktionsarzneimittel, denn weder die einzelnen Zutaten, noch die Zutaten in ihrer Gesamtheit verfügten über eine pharmakologische Wirkung. Dem Arzneimittelgesetz sei zu entnehmen, dass von der Beklagten für jede einzelne Zutat des beanstandeten Produkts nachgewiesen werden müsse, dass sie einen Beitrag zur pharmakologischen Wirksamkeit des Gesamtprodukts leiste. Zudem dürften die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für ein Arzneimittel gewonnen worden seien, welches den Wirkstoff Eisenhutknollen enthalte, nicht auf ein Produkt übertragen werden, das diesen Wirkstoff nicht enthielte. Einen Beweis, dass die Kombination der in Padma Basic enthaltenen Zutaten eine pharmakologische Wirkung entfalte, habe die Beklagte nicht erbracht. Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 verweise, sei auf die Randnummern 25 und 27 des Urteils hinzuweisen, wonach es zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, wenn Beweisanträge gestellt worden wären. Im Übrigen verfüge auch Padma 28 (Schweiz) über keine pharmakologische Wirkung. Bei den dort ausgeschriebenen Indikationen handle es sich lediglich um subjektive Befindlichkeiten und keine Krankheitsbilder. Bei dem streitgegenständlichen Produkt handle es sich auch nicht um ein Präsentationsarzneimittel. Es sei unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinzuweisen, wonach es bei der Frage, ob ein Arzneimittel vorliege, nur auf die Angaben, die sich auf der Packung selbst befänden und nicht auf die Werbung abzustellen sei.

 

32   Mit Bescheid vom 7. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei Padma Basic um ein Präsentationsarzneimittel handele. Es werde zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der äußeren Umverpackung als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet. Die Produktinformationen, die auf der Unternehmenshomepage der Klägerin zur Verfügung gestellt seien, belegten jedoch in tatsächlicher Hinsicht, dass Padma Basic zur Anwendung im menschlichen Körper und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt worden sei. Unabhängig hiervon sei Padma Basic als Funktionsarzneimittel einzustufen. Es sei zur oralen Einnahme bestimmt und beeinflusse die physiologischen Funktionen des Menschen durch eine pharmakologische Wirkung. Padma Basic bestehe aus insgesamt 20 pflanzlichen Inhaltsstoffen, deren Zusammensetzung bereits im Ausgangsbescheid aufgelistet worden sei. Hieran habe sich bis zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nichts geändert. Nach wie vor seien Zusammensetzung und der Gehalt an Wirkstoffen fast mit Padma 28 (Schweiz) identisch. Als wichtigste Unterscheidung sei noch immer 1 mg Eisenhutknolle zu nennen, die lediglich in einer Kapsel Padma 28 (Schweiz) vorhanden seien. Die übrigen als Hauptkomponenten genannten Inhaltsstoffe fänden sich aber in gleicher Dosierung in dem streitgegenständlichen Präparat. Dem Fehlen eines gering dosierten Bestandteils in einem aus insgesamt 21 pflanzlichen Bestandteilen bestehenden pflanzlichen Arzneimittels sei keine Bedeutung beizumessen. In der Rechtsprechung zur Produktabgrenzung zwischen Funktionsarzneimitteln gegenüber Nahrungsergänzungsmittel sei zudem auch wiederholt dargestellt worden, dass die pharmakologische Wirkung vorrangig nach den Wirkungen der Gesamtzubereitung zu bestimmen sei.

 

33   Die Klägerin hat am 5. März 2018 Klage erhoben.

 

34   Zur Begründung führt sie aus, dass der Bescheid bereits aufgrund der Verfahrensdauer und der „jahrelangen Untätigkeit“ der Beklagten rechtwidrig sei. Es sei zu berücksichtigen, dass der Antrag der Behörde aus dem Saarland bereits im Jahre 2008 gestellt worden sei. Soweit das streitgegenständliche Präparat mit Padma 28 (Schweiz) verglichen werde, sei darauf hinzuweisen, dass dieses ein rein pflanzliches, traditionelles Arzneimittel sei. Dies entspräche nach deutschem Recht den Vorschriften §§ 39a, 39b AMG, sodass der Anwendungsbereich für ein Zulassungsverfahren nach § 21 AMG nicht eröffnet sei. Hinsichtlich der pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Präparats käme auf den fehlenden Bestandteil von 1 mg Eisenhutknolle an, der sich lediglich in Padma 28 (Schweiz) befinde und alleine für die entsprechenden Indikationen des Schweizer Arzneimittels verantwortlich sei. Zudem betrage die Tagesdosis von Padma Basic im Vergleich zu Padma 28 nur ein Drittel. Für die Frage der pharmakologischen Wirkung sei die Dosierung maßgeblich, die sich der Gebrauchsanweisung entnehmen lasse. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 beziehe, sei dem die danach ergangene Rechsprechung des EuGH entgegenzuhalten, wonach nur dann von einem Funktionsarzneimittel ausgegangen werden könne, wenn die pharmakologische Wirkung positiv nachgewiesen sei. Dies sei in dem Verfahren zu Padma 28 (Deutschland) jedoch nicht geschehen. Auch sei zu berücksichtigen, dass Padma Basic in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel im Verkehr sei. Zudem entspreche es der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein ausdrücklich als Lebensmittel angebotenes Produkt vom verständigen Durchschnittsverbraucher nicht als Arzneimittel betrachtet werde.

 

35   Die Klägerin beantragt,

 

36   den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2010 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 7. Februar 2018 aufzuheben.

 

37   Die Beklagte beantragt,

 

38              die Klage abzuweisen.

 

39   Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und führt ergänzend aus, dass das Rechtsverhältnis, das durch mehrere Anträge der Landesbehörde und den Feststellungsbescheid vom 28. September 2010 begründet worden sei, nicht der Verwirkung unterliege. Soweit die Klägerin einen Antrag nach § 21 Abs. 4 AMG für ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel für unzulässig halte, überzeuge dies ebenfalls nicht. Aus der systematischen Stellung des § 21 Abs. 4 AMG könne nicht geschlossen werden, dass die Bundesbehörde auf Antrag nur über eine Zulassungspflicht im Sinne von § 21 AMG entscheide. Soweit die Klägerin hinsichtlich der unterschiedlichen Zusammensetzung von Padma Basic und Padma 28 (Schweiz) erneut auf die fehlende Eisenhutknolle als Wirkstoff zurückkomme, stelle sie sich insoweit in offenen Widerspruch zur öffentlichen Präsentation des Produkts in der Eigenwerbung des Herstellers. Denn nach der eigenen Darstellung des Herstellers habe die Elimination dieses Bestandteils aus dem Präparat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit. Soweit die Klägerin behaupte, dass durch Elimination dieses Wirkstoffs der einzige pharmakologisch wirksame Bestandteil fehle, sei dem in tatsächlicher Hinsicht entgegenzutreten. Denn das Fehlen lediglich gering dosierter Bestandteile in einem aus einer Vielzahl pflanzlicher Bestandteile bestehenden pflanzlichen Arzneimittel sei für die Einstufung als Funktionsarzneimittel unerheblich. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2006 nach der von Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des EuGH nicht mehr maßgeblich seien. Einer Vergleichbarkeit von Padma 28 und Padma Basic stünden auch nicht etwaige Unterschiede in der Dosierung entgegen.

 

40   Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des BfArM Bezug genommen.

 

41  Entscheidungsgründe

 

42   Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom                                    28. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

 

43   Gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde unabhängig von einem Zulassungsantrag des pharmazeutischen Unternehmers auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels. Die Vorschrift ermächtigt die Bundesoberbehörde, die Zulassungspflicht durch Verwaltungsakt festzustellen. Die Entscheidung über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels schließt die Entscheidung über die Arzneimitteleigenschaft eines Produktes als vorgreifliche Frage ein,

 

44   vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2015, 13 A 1872/14, juris; Urteile der Kammer vom 8. November 2011, 7 K 4577/07, vom 10. Oktober 2017, 7 K 3344/14  und vom 7. November 2017 – 7 K 5706/14 und 7 K 4696/16 -; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht – Kommentar (Loseblatt, Stand: 135 Akt.-Lieferung 2019), § 21 Erl. 73; Winnands/Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 3. Auflage 2022, § 21 Rn. 107.

 

45   Die Formulierung „über die Zulassungspflicht“ hat nicht zur Folge, dass Produkte ausgeschlossen wären, für die bei Bejahung der Arzneimitteleigenschaft nach Lage der Dinge nur die Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel im Sinne der                 §§ 39a – 39d AMG in Betracht kommt. Wie sich aus § 39c Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AMG ergibt, ist zum einen für traditionelle pflanzliche Produkte eine Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG grundsätzlich möglich, zum anderen entspricht das Registrierungsverfahren der Sache nach dem Zulassungsverfahren; wie dieses zielt es auf die Zuerkennung eines Anwendungsgebietes und die Verkehrsfähigkeit des Produkts. Herabgestuft sind lediglich die Anforderungen an die vorzulegenden Unterlagen.

 

46   Vgl. VG Köln, Urteil vom 7. November 2017, 7 K 4696/16, juris, Rn. 29.

 

47   Der streitgegenständliche Bescheid des BfArM ist formell rechtmäßig. Insbesondere fehlt es nicht an dem gesetzlich erforderlichen Antrag der zuständigen Landesbehörde.

 

48   Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Gemäß § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die (1.) entweder zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sog. „Präsentationsarzneimittel“) oder die (2.) im oder am menschlichen Körper angewendet oder verabreicht werden können, um entweder a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder b) eine medizinische Diagnose zu erstellen (sog. „Funktionsarzneimittel“).

 

49   Diese gesetzlichen Definitionen beruhen auf dem europarechtlichen Arzneimittelbegriff in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67), zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2022/642 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. April 2022 (ABl. L 118 vom 20. April 2022).

 

50   Aufgrund ihrer unionsrechtlichen Vorprägung sind die nationalen Bestimmungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs richtlinienkonform auszulegen.

 

51   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2010, 13 A 1187/10, auch Urteile vom 26. September 2019, 13 A 3290/17 und 13 A 3292/15, sämtlich juris.

 

52   Bei der Beurteilung, ob es sich bei einem bestimmten Produkt um ein Arzneimittel handelt, sind neben der positiven Definition in § 2 Abs. 1 AMG auch die Ausschlussbestimmungen in § 2 Abs. 3 AMG in den Blick zu nehmen, die notwendige Abgrenzungen zu anderen Produktkategorien enthalten. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 AMG sind Lebensmittel im Sinne des Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1. Februar 2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6. September 2019, S. 1) geändert worden ist, keine Arzneimittel. Dort sind in Art. 2 Lebensmittel als Stoffe oder Erzeugnisse definiert, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu den Lebensmitteln zählen aufgrund der begrifflichen Weite der Definition, die im Wesentlichen auf die Aufnahme durch den Menschen abstellt, auch Nahrungsergänzungsmittel. § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1011), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272) -NemV-, definiert Nahrungsergänzungsmittel als solche Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen (Nr. 1), Konzentrate von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellen (Nr. 2) und in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werden.

 

53   Art. 2 Abs. 3 lit. d) der VO (EG) Nr. 178/2002, zuletzt geändert durch VO (EU) vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231 vom 6. September 2019) stellt in diesem Zusammenhang seinerseits klar, dass Arzneimittel keine Lebensmittel im Sinne der Verordnung sind. Damit schließen sich der Arzneimittel- und der Lebensmittelbegriff gegenseitig aus. Kein Erzeugnis kann Arzneimittel und Lebensmittel gleichzeitig sein. Lässt sich bei einem Produkt die Arzneimitteleigenschaft positiv feststellen, scheidet eine Subsumtion unter den Lebensmittelbegriff aus.

 

54   Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das streitgegenständlich Präparat „Padma Basic“ als Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AMG einzustufen. Hiervon geht die Kammer unter Berücksichtigung der bereits nachgewiesenen therapeutischen Wirkung von Padma 28 (Schweiz) aus. Denn hieraus lässt sich trotz der Entnahme des Wirkstoffs Eisenhutknolle auf die therapeutische Wirkung des streitgegenständlichen Präparats schließen. Denn bei der Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, sind insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Prüfung sind die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften das maßgebliche Kriterium, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob das Produkt zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen eingesetzt werden kann,

 

55   vgl. ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. etwa Urteil vom 3. Oktober 2013, C-109/12; BVerwG, Urteil vom 20. November 2014, 3 C 26.13, jeweils mit weiteren Nachweisen, juris.

 

56   Die Annahme der pharmakologischen Wirkung von Padma 28 (Schweiz) wird auf die von der Beklagten eingereichten wissenschaftlichen Publikationen gestützt, die dem Gesamterzeugnis eine therapeutische Wirkung zuschreiben. Zwar ist eine therapeutische Wirkung im Sinne der Heilung einer Krankheit oder der Linderung ihrer Symptome kein zwingender Bestandteil der Definition des Funktionsarzneimittels. Jedoch erlaubt die Bejahung einer therapeutischen Wirkung den Rückschluss auf das Vorliegen einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung.

 

57   Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. November 2005, 13 A 463/03, juris, Rn. 103 – 105.

 

58   Entfaltet ein Produkt, das aus mehreren Wirkstoffen besteht, insgesamt eine pharmakologische Wirkung, so ist es für seine Einordnung als Arzneimittel ohne Bedeutung, ob die einzelnen Wirkstoffe wegen ihrer geringen Dosis keine solche Wirkung entfalten.

 

59   Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006, juris, 3 C 40.05.

 

60   Dem Beweisantrag der Klägerin, dass die einzelnen Zutaten von Padma Basic jeweils über keine pharmakologischen Wirkungen verfügten, war danach mangels Entscheidungserheblichkeit nicht stattzugeben.

 

61   Hinsichtlich der therapeutischen Wirkung von Padma 28 (Schweiz) ist dem Aufsatz „Die Wirkung des tibetanischen Kräuterpräparates Padma 28 auf die Claudicatio intermittens“,

 

62   vgl. Schräder/Nachbur/Mahler, in: Schweiz, med. Wschr. 115, 752 – 756 (1985),

 

63   zu entnehmen, dass die mit Padma 28 behandelte Gruppe bei standarisierter Laufbandergometrie nach 16 Wochen eine Zunahme sowohl der maximalen als auch der schmerzfreien Gehstrecke um rund 100 % gezeigt hat. Auch in der Veröffentlichung „Der Effekt einer tibetischen Kräutermischung (Padma 28) auf die Gehstrecke bei stabiler Claudicatio intermittens“,

 

64   vgl. Mehlsen/Drabaek/Petersen/Winther in: Forsch Komplementärmed 1995; 2: 240-245,

 

65   heißt es, dass Padma 28 die Gehstrecke von Patienten mit bereits lange bestehender, stabiler CI im Vergleich zu einer Plazebobehandlung verlängert. Der englischsprachige Aufsatz „A Botanical Compound, Padma 28, Increases Walking Distance Stable Intermittent Claudication“,

 

66              vgl. Darbaek/Mehlsen/Himmelstrup/Winther in Angiology, 1993, 44 (11), 863‐867,

 

67   beschreibt ebenfalls eine derartige Verbesserung der Gehstrecke: „The study has shown that Padma 28 – an ancient lamaistic herbal remedy – increased the walking distance in patients with stable intermittens claudication of long standing.“

 

68   Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass diese Wirkung von Padma 28 (Schweiz) im Rahmen einer klinischen Studie belegt wurde: Der entsprechenden Veröffentlichung „Plazebokontrollierte Doppelblindstudie zur Wirkung des tibetanischen Kräuterpräparates Padma 28 auf die Claudicatio intermittens“ von Smulski und Wojcick ist zu entnehmen, dass die mittlere Gehstreckenverlängerung unter Padma 28 um mehr als 100 % in der unter  streng doppelblinden Bedingungen geführten Studie „eine klinisch relevante und statistisch hochsignifikante Wirksamkeit von Padma 28 bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der unteren Extremitäten im Stadium II nach Fontaine mit Claudicatio intermittens“ zeigt.

 

69   Soweit jedoch die therapeutische Wirkung von Padma 28 (Schweiz) zugrunde zu legen ist, lässt sich auch auf die entsprechende Wirkung des streitgegenständlichen Präparats schließen. Zwar ist die pharmakologische, metabolische oder immunologische Wirkung des streitgegenständlichen Präparats in seiner genauen Zusammensetzung, ohne den Zusatz von 1mg Eisenhutknolle, den vorliegenden Erkenntnissen nach nicht belegt. Jedoch war eine weitere Aufklärung zu den Auswirkungen der Entnahme dieses Wirkstoffs, etwa durch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, nicht geboten. Dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin war danach nicht stattzugeben.

 

70   Es ist zwar richtig, dass für die Beurteilung der physiologischen Auswirkung auf das Produkt insgesamt abzustellen ist. Hieraus folgt jedoch nicht, dass für jede Stoffkombination eine eigenständige Studie erstellt werden müsste. Vielmehr kann aus den bekannten Wirkungen eines Inhaltsstoffes auf die Wirkung des Gesamterzeugnisses geschlossen werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Wirkung durch die weiteren Zusätze – oder wie im vorliegenden Fall, durch die Entnahme eines einzelnes Wirkstoffs – herabgesetzt sein könnte.

 

71   Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019, 3 C 19.18, BVerwGE 167, 66-77, juris, Rn. 26.

 

72   Die Klägerin hat insoweit keine substantiierten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass aus der Entnahme des Wirkstoffs Eisenhutknolle die Wirkung des – aus 20 weiteren pflanzlichen Inhaltsstoffen bestehenden – Gesamterzeugnisses entfällt. Dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin, dass Padma 28 (Schweiz) aufgrund von Eisenhutknolle über eine pharmakologische Wirkung verfüge, war danach nicht stattzugeben.

 

73   Der Kammer drängen sich auch keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Wegfall der Wirkung des Gesamterzeugnisses auf. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass Eisenhutknolle hochgiftig ist und pharmakologisch wirkt. Die Kammer hat den entsprechenden Beweisantrag der Klägerin abgelehnt, da der Antrag eine Tatsache betrifft, die gerichtsbekannt ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Wirkstoff von Padma 28 (Schweiz) laut der Fachinformation eine Gruppe relevanter Inhaltsstoffe beinhaltet, die nicht mit dem Hauptwirkstoff von Eisenhutknolle übereinstimmen. Denn die Fachinformationen bezieht sich auf ein „ätherisches Öl mit den Hauptkomponenten D-Campher (in höher Dosierung kreislauftonisierend und Arbeitstoleranz verbessernd) und Eugenol (antibakteriell und lokal analgetisch) sowie Flavonoide (entzündungshemmend, antioxidativ, Metallchelate bildend) und Gerbstoffe (lokal entzündungshemmend, antioxidativ)“, während als Hauptwirkstoff von Eisenhut Aconitin und die Stoffgruppe der Alkaloide beschreiben sind.

 

74   Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenhut; https://de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Eisenhut.

 

75   Auf diesen Umstand hatte bereits das Oberwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in der Entscheidung zu Padma 28 (Deutschland) hingewiesen.

 

76   Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. November 2005, 13 A 463/03, juris, Rn. 113.

 

77   Der Entfall der Wirkung des Gesamterzeugnisses durch die Entnahme von Eisenhutknolle drängt sich auch nicht dadurch auf, dass der in der Monographie zu „Aconitum nappelus (Blauer Eisenhut)“ vom 15. Oktober 1987 beschriebene Wirkstoff als „durchblutungsfördernd“ beschrieben wird. Einerseits wird in dieser Monographie zugleich ausgeführt, dass die Wirksamkeit bei den meisten beanspruchten Anwendungsgebieten nicht belegt ist. Darüber hinaus ist beispielweise auch der Monographie zu Campher vom 5. Dezember 1984 zu entnehmen, dass dieser Wirkstoff „kreislauftonisierend“ ist. Zudem wird auch Campher als durchblutungsfördernd beschrieben,

 

78   vgl.https://www.pascoe.de/wirkstoffe/detail/campher.html#:~:text=Seine%20Wirkung%20ist%20entz%C3%BCndungshemmend%2C%20krampfl%C3%B6send,%C3%BCber%20die%20Haut%20aufgenommen%20,

 

79   sodass auch seine Wirkung für ein von Padma 28 beanspruchtes Anwendungsgebiet mitursächlich sein kann.  Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die in der Fachinformation von Padma 28 beschriebenen Hauptwirkstoffe sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass lediglich der Wirkstoff Eisenhutknolle für die für Padma 28 (Schweiz) beschriebene therapeutische Wirkung verantwortlich ist. Der Fachinformatioon zu Padma 28 (Schweiz) ist diesbezüglich zu entnehmen, dass die therapeutische Wirkung auf „additive, synergistische und antagonistische Weise“ erzielt wird.

 

80   Der pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Präparats stehen auch nicht etwaige Unterschiede in den Dosierungsempfehlungen entgegen. Zwar wird für Padma 28 (Schweiz) eine Initialdosis von 3 x 2 Kapseln und nach Eintritt einer Verbesserung die Einnahme von 2 Kapseln täglich, für das streitgegenständliche Präparat hingegen lediglich die Einnahme von „2 Kapseln täglich (…) vor einer Hauptmahlzeit“ empfohlen. Jedoch hat die Klägerin auch diesbezüglich keine substantiierten Anhaltspunkte vorgetragen, dass aus dieser geringeren Dosierung der Wegfall der pharmakologischen Wirkung des Präparats resultiert. Zum einen entspricht die Dosierungsempfehlung des streitgegenständlichen Präparats jedenfalls der „Erhaltungsdosis“ zu Padma 28 (Schweiz). Zum anderen ist Teilen der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Padma 28 (Schweiz) zu entnehmen, dass die Annahme einer therapeutischen Wirkung auf Grundlage einer Tagesdosis von 2 x 2 Kapseln in Erfahrung gebracht wurde.

 

81   Vgl. Smulski/ Wojcicki, „Plazebokontrollierte Doppelblindstudie zur Wirkung des tibetanischen Kräuterpräparates Padma 28 auf die Claudicatio intermittens“, S. 21; Mehlsen/Drabaek/Petersen/Winther, „Der Effekt einer tibetischen Kräutermischung (Padma 28) auf die Gehstrecke bei stabiler Claudicatio intermittens“, Forsch Komplementärmed 1995, S. 240.

 

82   Gegen die Einstufung als Funktionsarzneimittel spricht auch nicht, dass lediglich für Padma 28 (Schweiz) Nebenwirkungen wie Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, Hautausschläge oder Juckreiz dokumentiert sind. Zwar führt der Nachweis einer nennenswerten Wirkung auf die physiologischen Funktionen des Menschen nicht zwangsläufig zur Beurteilung eines Erzeugnisses als Arzneimittel. Denn die Einstufung als Nahrungsergänzungs- oder als Arzneimittel erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken der Verwendung zu berücksichtigen sind.

 

83   Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2019, 3 C 19.18, BVerwGE 167, 66-77.

 

84   Jedoch ist das Vorliegen eines mit der Anwendung verbundenen Risikos ist für den Arzneimittelbegriff ohnehin nicht konstitutiv. Hierfür spricht schon, dass es durchaus risikofreie Arzneimittel gibt. So ist etwa die Registrierung solcher traditioneller pflanzlicher Arzneimittel ausgeschlossen, die bei bestimmungsgemäßen Gebrauch schädlich sein können (§ 39c Abs. 2 Nr. 3 AMG) oder die Vitamine oder Mineralstoffe enthalten, deren Unbedenklichkeit nicht nachgewiesen ist. Dies lässt den Schluss zu, dass Registrierungsvoraussetzung gerade die Risikofreiheit ist und diese mit dem Status als Arzneimittel nicht in Verbindung steht.

 

85   Vgl. VG Köln, Urteil vom 8. November 2022. 7 K 7271/19, juris, Rn. 52.

 

86   Die dem weiteren Beweisantrag der Klägerin zugrundeliegende Tatsache, dass Pflanzenextrakte neben Vitaminen und Mineralstoffen auch Isoflavone und Ballaststoffe enthalten, kann danach als wahr unterstellt werden.

 

87   Unerheblich ist schließlich, ob in anderen EU-Staaten ein stoffgleiches Gesamterzeugnis als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist. Ob Padma Basic in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel im Verkehr ist, ist danach unerheblich. Dem weiteren Beweisantrag der Klägerin, dass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Wien hoheitliche Aufgaben im Rahmen der Lebensmittelüberwachung in Österreich übernimmt, war schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht stattzugeben. Denn nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts schließt die in einem Mitgliedstaat vorgenommene Kategorisierung eines Erzeugnisses nicht aus, dass die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats dieses Präparat abweichend aufgrund seiner pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkungen als Arzneimittel einstufen,

 

88   vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 – C-109/12 – für die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Medizinprodukten; EuGH, Urteil vom 9. Juni 2005, C-211/03 und Urteil vom 15. Januar 2009, C-140/07 -; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006, 3 C 40.05, für die Abgrenzung zu Lebensmitteln, sämtlich in juris.

 

89   Die materielle Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides resultiert letztlich auch nicht aus der Dauer des vorliegenden Verwaltungsverfahrens. Dem stehen schon die dem Arzneimittelgesetz zugrundeliegende Zielrichtungen – die Arzneimittelsicherheit und Gefahrenabwehr – entgegen. Soweit die Klägerin auf eine etwaige Strafbarkeit nach § 96 Nr. 5 AMG verweist, ist auf § 80 Abs. 1 VwGO hinzuweisen, wonach Widerspruch und Klage gegen den Feststellungsbescheid eine aufschiebende Wirkung haben. Zudem war es der Klägerin unbenommen, vom Rechtsbehelf der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) Gebrauch zu machen.

 

90   Ist danach das Produkt der Klägerin als Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG einzustufen, kann offenbleiben, ob auch die Voraussetzungen als Präsentationsarzneimittel erfüllt sind.

 

91   Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

 

92   Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

 

93   Rechtsmittelbelehrung

 

94   Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

 

95

 

96   1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

 

97   2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

 

98   3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

 

99   4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

 

100   5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

101   Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

 

102   Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

 

103   Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.

 

104   Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

 

105   Beschluss

 

106   Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

 

107   50.000,00 €

 

108   festgesetzt.

 

109  Gründe

 

110   Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Klägerin ist es angemessen, den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). In Streitigkeiten um die arzneimittelrechtliche Zulassung ist dabei anders als in der vorläufigen Streitwertfestsetzung entsprechend der ständigen Praxis der Kammer das Zehnfache des gesetzlichen Auffangstreitwertes von 5.000,00 Euro anzusetzen.

 

111  Rechtsmittelbelehrung

 

112   Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.

 

113   Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

 

114   Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.

 

115   Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.