Datum: 7. Mai 2019

Gericht: LG Köln

Aktenzeichen: 31 O 245/18

Amtlicher Leitsatz:
Der Nachweis einer nennenswerten Wirkung auf die physiologischen Funktionen des Menschen führt nicht zwangsläufig zur Beurteilung eines Erzeugnisses als arzneimittel. Die Einstufung als Nahrungsergänzungs- oder Arzneimittel erfordert eine Gesamtbetrachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesundheitsrisiken der Verwendung zu berücksichtigen sind.

 

 

31 O 245/18

verkündet am 07.05.2019

Landgericht Köln

Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

 

In dem Rechtsstreit

 

xxxxxxxxxxxx Klägerin,

Prozessbevolmächtigte: xxxxxxxxxxx

 

gegen

 

xxxxxxxxxxxx Beklagte

Prozessbevolmächtigte: xxxxxxxxxxx

 

hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 02.04.2019

durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Brunssen, den Richter am Landgericht Dr. Waschkau und den Richter am Landgericht Dr. Logemann

für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben für das Produkt „xxxxxxxxx BIO“

 

a. mit der Bezeichnung „biokompatible Augentropfen“ und/oder

 

b. mit dem Namensbestandteil „BIO“ zu werben:

 

2. Auf ihr Anerkenntnis hin wird die Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

 

a. wie nachstehend wiedergegeben für das Nahrungsergänzungsmittel-Sortiment mit dem Hinweis „Hochwertige Mikronährstoffe sind ein gutes und wichtiges Mittel dem Körper das zu geben, was er braucht und nicht über die übliche Ernährungsweise aufnimmt. Dabei kommt es vor allem auf den Einsatz hochqualitativer Rohstoffe, deren Bioverfügbarkeit und eine geeignete Zusammensetzung der Produkte an“ zu werben:

 

b. wie nachstehend wiedergegeben für das Produkt mit dem Hinweis „Aloe Vera ist pflanzlich und hat entzündungshemmende Eigenschaften“ zu werben:

 

c. wie nachstehend wiedergegeben für das Produkt

 

i. mit der Bezeichnung ,,hypoallergen“ zu werben, und/oder

 

ii. den Hinweis .Nicht anwenden bei bekannter Unverträglichkeit auf einen der Inhaltsstoffe“ zu geben, ohne im räumlichen Zusammenhang damit die Inhaltsstoffe vollständig anzugeben:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 267,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15.09.2018 zu zahlen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Tenors zu Ziff. 1, 3 und 4 jedoch nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin macht als Wettbewerbszentrale gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3,5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, 3 HWG und die Erstattung von Abmahnkosten geltend. Die Beklagte vertreibt u.a. über ihre Internetseite www.xxxxxx. com/de Nahrungsergänzungsmittel sowie (Medizin-)Produkte zur Anwendung im und am Auge, wie etwa Augensprays, Augentropfen, Linsenflüssigkeit und Augenpflegeprodukte. Mit Schreiben vom 26.03.2018 (vgl. Anl. 6, BI. 47 ff. d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen zahlreicher Werbeaussagen auf der Internetseite ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.04.2018 erklärte die Beklagte, dass sie nicht an einer Auseinandersetzung interessiert sei und kündigte die Bereitschaft zum Abschluss einer teilweisen, im Einzelnen näher ausgeführten Unterlassungsvereinbarung an (vgl. BI. 59 ff. d.A.). In einem weiteren Schriftwechsel machten die Parteien rechtliche Ausführungen zu den vom Tenor zu 1) erfassten Werbeaussagen, hinsichtlich derer die Beklagte in ihrem Schreiben vom 19.07.2018 mitteilte, keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgeben zu wollen. Hinsichtlich des genauen Inhalts der zwischen den Parteien vorgerichtlich geführten Korrespondenz wird auf die Anl. 6, BI. 47 ff. d.A., Bezug genommen. Im Anschluss hieran erhob die Klägerin die vorliegende Klage, mit der sie ein Unterlassungsbegehren in Bezug auf insgesamt 20 Werbeaussagen der Beklagten für unterschiedliche Produkte verfolgt, darunter auch hinsichtlich jener Aussagen, die Gegenstand der von der Beklagten vorgeschlagenen Vergleichsvereinbarung waren. Im Rahmen der Klageerwiderung hat die Beklagte das Unterlassungsbegehren in Bezug auf 14 der angegriffenen Werbeaussagen anerkannt und die Kammer hat diesbezüglich am 19.10.2018 ein Teil-Anerkenntnisurteil erlassen (vgl. BI. 11 1 ff. d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 02.04.2019 hat die Beklagte einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich vier weiterer, im Tenor zu 2) wiedergegebener Werbeaussagen anerkannt. In Streit zwischen den Parteien stehen zuletzt noch zwei Aussagen im Zusammenhang mit der Vermarktung der Augentropfen „xxxxxxx BIO“, welche die Beklagte als ,,[b]iokompatible Augentropfen“ bewirbt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den auf BI. 5-6 d.A. wiedergegebenen und im Tenor zu 1) eingeblendeten Screenshot des lnternetauftritts der Beklagten Bezug genommen.Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Aussagen irreführend iSv. §§ 5 Abs. 1 S. 2Nr. 1 UWG sowie § 3 HWG seien. Die beworbene Biokompatibilität stelle eine unlautere Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, da Medizinprodukte nach Anh. I, Ziff. 7.1 der europäischen Richtlinie 93/142/EWG des Rates vom 14.06.1993 über Medizinprodukte (im Folgenden: Medizinprodukte-RL) Anforderungen an die Verträglichkeit zu erfüllen hätten. Auch der für das Produkt gewählte Namensbestandteil „BIO“ sei irreführend, weil dieser Begriff beim angesprochenen Verkehr den Eindruck erwecke, dass das Mittel „frei von Chemie“ sei. Tatsächlich enthalte es aber lnhaltsstoffe wie Natriumhyaluronat, Natriumchlorid und Kaliumchlorid. Ebenso handele es sich auch bei den weiteren lnhaltsstoffen Citratpuffer und Sorbitol nicht um natürliche Rohstoffe. Damit handele es sich bei dem Mittel um ein chemisches Produkt. Zudem ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte habe auch hinsichtlich der vom Teil-Anerkenntnisurteil vom 19.10.2018 erfassten Aussagen Anlass zur Klageerhebung gegeben und müsse daher auch insoweit die Verfahrenskosten tragen.

 

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

 

Die Beklagte beantragt unter Berücksichtigung der im Verfahren erklärten Teil-Anerkenntnisse,

die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. 2 lit. C) und d) sowie zu II. abzuweisen.

 

Sie erachtet die angegriffenen Aussagen für sachlich zutreffend und nicht irreführend. So sei die Auslobung der Augentropfen als „biokompatibel“ keine Selbstverständlichkeit, weil sich das Produkt in seiner Zusammensetzung von handelsüblichen Augentropfen unterscheide. So enthalte es keine Konservierungsmittel und führe Elektrolyte zu. Damit komme es der natürlichen Zusammensetzung von Tränenflüssigkeit besonders nahe. Im Rahmen des schwedischen Zertifizierungsverfahrens sei die besondere Biokompatibilität des Produktes von der Fa. lntertek Semko AB geprüft, bewertet und akzeptiert worden. Gleiches gelte für den Namensbestandteil ,,BIO“, der im Sinne von Biokompatibilität zu verstehen sei und im Übrigen auch in den Namen zahlreicher anderer Konkurrenzprodukte gebraucht werde. Hinsichtlich des Teilanerkenntnisses gemäß Schriftsatz vom 28.09.2018 verwahrt sich die Beklagte schließlich gegen die Kostenlast.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Klage hat in der Sache auch hinsichtlich der letztlich verbliebenen Streitpunkte Erfolg.

 

I.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht gemäß §§ 8 Abc. 1, Abs. 3

Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

 

1.

Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktiv legitimiert (vgl. hierzu bereits BGH, GRUR 1995, 122 – „Laienwerbung für Augenoptiker“; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. [2019], Einl. Rn. 2.45). Die Klagebefugnis stellt die Beklagte auch nicht in Abrede.

 

2.

Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie u.a. die Zusammensetzung und Beschaffenheit enthält. Dies trifft sowohl hinsichtlich der Bewerbung der streitgegenständlichen Augentropfen mit dem Hinweis „biokompatibel“ wie auch mit dem Namensbestandteil „BIO“ zu.

 

a)

Zurecht beanstandet die Klägerin die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit der Auslobung der Augentropfen als „biokompatibel“. Zwar behauptet auch die Klägerin nicht, dass die Augentropfen für das menschliche Auge unverträglich seien. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG können aber auch objektiv richtige Angaben unzulässig sein, wenn sie bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck erwecken. Ein solcher unrichtiger Eindruck kann bspw. entstehen, wenn Werbebehauptungen etwas Selbstverständliches in einer Weise betonen, dass der Adressat der Werbung hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware oder Leistung vermutet (vgl. BGH, GRUR 2014, 498/499 – „Kostenlose Schätzung“; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 1.113 ff.). Dies ist vorliegend der Fall.

 

Die angegriffenen Werbeaussagen sprechen potentielle Kunden, hier also die Verbraucher, an, zu denen auch die Mitglieder der Kammer zählen. Der von der Beklagten zu Werbezwecken benutzte – in der deutschen Alltagssprache nicht gebräuchliche und dem Verbraucher daher nicht geläufige – Begriff ,,biokompatibel“ ist angesichts der beiden Wortestandteile „kompatibel“ und „bio“ in erster Linie im Sinne einer Verträglichkeit des Produktes mit dem menschlichen Körper zu verstehen. Weder der Begriff selbst, noch der konkrete Kontext, in dem dieser von der Beklagten verwendet wird, legen nahe, dass eine ,,Biokompatibilität“ nach der von ihr angeführten Lesart zu verstehen wäre, wonach das Produkt „der Tränenflüssigkeit nachempfunden“ ist. Für ein derartiges Verständnis fehlen für einen Außenstehenden jedwede Anhaltspunkte. Die reine Verträglichkeit aber stellt keine in der Werbung herauszustellende Besonderheit dar, sondern entspricht vielmehr gesetzlichen Vorgaben.

 

Nach § 6 Medizinproduktegesetz (MPG) dürfen Medizinprodukte nur bei Erfüllen bestimmter Anforderungen in den Verkehr gebracht werden. Zu den grundlegenden Anforderungen gehören nach § 7 Abs. 1 MPG die Anforderungen des Anhangs I der Medizinprodukte-RL. Nach dessen Ziff. 7.1, 2. Spiegelstrich müssen Produkte

 

„so ausgelegt und hergestellt sein, daß die Merkmale und Leistungen gemäß Abschnitt I „Allgemeine Anforderungen“ gewährleistet sind. Dabei ist besonders auf folgende Punkte zu achten: (…)

– wechselseitige Verträglichkeit zwischen den eingesetzten Werkstoffen und den Geweben, biologischen Zellen sowie Körperflüssigkeiten, und zwar unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Produkts“

 

Werkstoffe, die in unmittelbaren Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen, müssen daher frei von unerwünschten Nebenwirkungen für den Patienten sein. Dementsprechend muss die Verträglichkeit der von der Beklagten vertriebenen Augentropfen „xxxxxx BIO“ mit dem menschlichen Auge schon von Gesetzes wegen gewährleistet sein.

 

Dafür dass der Begriff der Biokompatibilität an die von der Medizinprodukte-RL geforderten „wechselseitigen Verträglichkeit“ anknüpft, spricht nicht zuletzt auch die englische Fassung der Medizinprodukte-RL, in welcher von der „compatibility between the materials used and biological tissues“ die Rede ist. Auch die von der Beklagten in Bezug genommene schwedische Zertifizierung stützt dieses Verständnis, da das schwedische Zertifikat der Fa. lntertek Semko AB vom 12.1 2.2016 (vgl. BI. 103 d.A.) gerade die Konformitätserklärung iSd. Anhangs II der Medizinprodukte-RL darstellt.

 

Durch die exponierte Erwähnung des Begriffs „biokompatible Augentropfen“ unmittelbar unterhalb des Produktnamens wird damit eine gesetzlich vorgeschriebene Eigenart in besonderer Weise hervorgehoben. Diese weckt beim angesprochenen Verkehr irrtümlich den Eindruck, die Verträglichkeit des Produktes stelle einen Vorzug gegenüber Konkurrenzangeboten dar, was tatsächlich aber nicht der Fall ist. Auch ist dem Verbraucher nicht ohne weiteres geläufig, dass es sich bei der Verträglichkeit eines Medizinproduktes um einen gesetzlich vorgeschriebenen Umstand handelt.

 

b)

Eine unlautere Irreführung iSd. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. I UWG ist ebenso hinsichtlich der Verwendung des Namensbestandteils „BIO“ festzustellen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Begriff vom Verbraucher nicht als Abkürzung für „biokompatibel“ zu verstehen. Die Beklagte hat keine tragenden Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen vermocht, dass vom Verkehr (oder auch nur von Fachkreisen) der Begriff „biokompatibel“ bzw. „Biokompatibilität“ typsicherweise auf „bio“ verkürzt werde. Auch ansonsten ist der Begriff nicht als Hinweis auf eine Verträglichkeit des Produktes aufzufassen. Genügte schon der Umstand, dass ein Produkt keine Gefahren für den menschlichen Körper beinhaltet, um dieses als ,,bio“ zu klassifizieren, könnte angesichts der gesetzlichen Vorgaben des MPG und der Medizinprodukte-RL jedes zulassungsfähige Medizinprodukt als „bio“ deklariert werden. Ein derart breites Verständnis trüge den Erwartungen des Verbrauchers indes nicht genügend Rechnung.

 

Der Verkehr versteht das Wort „bio“ vielmehr als Abkürzung für ,,biologisch“. Zuzugeben ist der Beklagten, dass der Verbraucher im Zusammenhang mit Medizinprodukten keine präzisen Vorstellungen davon hat, welche Anforderungen ein solches Produkt erfüllen muss, um als „bio“ klassifiziert zu werden. Auch kann das im Lebensmittelbereich für landwirtschaftliche Lebensmittel bestehende Verständnis, wonach die Produkte bzw. lnhaltsstoffe aus ökologischem Anbau stammen müssen, nicht ohne weiteres auf Medizinprodukte übertragen werden. Schließlich fehlt es im Bereich von Medizinprodukten an konkreten gesetzlichen Vorgaben vergleichbar etwa der EG-Öko-Basis-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28.06.2007 über die ÖkoIogische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen. Richtig ist daher, dass dem Zusatz „Bio“ je nach Produkt, für das er benutzt wird, unterschiedliche Bedeutungen zukommen (vgl. BGH, GRUR 2013, 401/404 – ,,Biomineralwasser“; Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 2.79)

Die Kammer verkennt nicht, dass in Bezug auf Augentropfen den Verbrauchern durchaus bewusst ist, dass diese nicht natürlich gewonnen, sondern künstlich hergestellt werden. Allerdings wird ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucherkreise auch in diesem Kontext mit dem Begriff „Bio“ eine rein natürliche, keine chemische Substanzen enthaltende Beschaffenheit des betreffenden Produkts verbinden (vgl. in Bezug auf Waschmittel KG, GRUR 1993, 766 – „BIO GOLD“). Diese Erwartung erfüllt das Produkt der Beklagten jedoch nicht, da es mit Natriumhyaluronat, Natriumchlorid und Kaliumchlorid chemische Substanzen enthält. Dass diese der menschlichen Tränenflüssigkeit nachempfunden sind und keine Unverträglichkeit für das Auge begründen, spielt dabei ebensowenig eine Rolle wie der von der Beklagten angeführte Umstand, dass das Produkt keine Konservierungsstoffe enthält. Auch ein ohne Konservierungsmittel hergestelltes Produkt ist nach dem Verbraucherverständnis nicht per se als „biologisch“ bzw. ,,bio“ einzustufen. Ebenso erachtet die Kammer den von der Beklagten angeführten Umstand, dass zahlreiche Tränenersatzprodukte von Wettbewerbern als „Bio“-Präparate vertrieben werden, nicht als tragfähiges Argument dafür, dass der Verkehr im Bereich der Medizinprodukte keine gesteigerten Erwartungen an den Begriff „bio“ stellt.

 

Schließlich folgt nichts Abweichendes aus dem Umstand, dass die streitgegenständlichen Augentropfen als Medizinprodukt zertifiziert worden sind, zumal die von der Beklagten angeführte Konformitätserklärung nur eine Aussage dahingehend trifft, ob die gesetzlichen Vorgaben gem. der Medizinprodukte-RL eingehalten wurden. Eine EU-weit gültige Freizeichnung für den Namen, unter dem das Produkt vertrieben werden darf, ist hiermit nicht verbunden.

 

II.

Die Verurteilung gem. dem Tenor zu 2) beruht auf dem weiteren Teilanerkenntnis der Beklagten, § 307 S. 1 ZPO. Diese hat die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1.4,6 lit. e), 7 lit. a) und b) gemäß der Klageschrift vom 21.08.201 8 in der mündlichen Verhandlung vom 02.04.201 9 anerkannt.

 

III.

Der Klägerin steht nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 267,50 € zu, deren Höhe die Beklagte nicht in Abrede stellt.

 

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Nachdem die Klage der Beklagten am 14.09.2018 zugestellt worden ist, sind gem. § 187 ZPO Rechtshängigkeitszinsen ab dem 15.09.2018 geschuldet

 

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 93, 708 Nr. 1, 709 S.2 ZPO.

 

Vor dem Hintergrund des unmittelbar im Nachgang zur Klagerwiderung ergangenen Teil-Anerkenntnisurteils der Kammer vom 19.10.2018 war der Klägerin die Hälfte der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Grundsätzlich hat zwar nach § 91 Abs. 1 ZPO die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Hiervon ist aber nach § 93 ZPO eine Ausnahme zu machen, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt. Beide Voraussetzungen sind insoweit erfüllt:

 

Die Beklagte hat anlässlich der Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 28.09.2018 den Unterlassungsanspruch im Umfang des Teil-Anerkenntnisurteils vom 19.1 0.2018 anerkannt. Die Erklärung erfolgte „sofort“ iSd. Norm. Denn hiervon ist in Fällen, in denen das Gericht – wie hier – im Rahmen der Eingangsverfügung einen frühen ersten Termin bestimmt, auszugehen, wenn die Erklärung innerhalb der Klageerwiderungsfrist abgegeben wird (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 93 ZPO, Rn. 4 mwN). Die der Beklagten mit gerichtlicher Verfügung vom 12.09.2018 gesetzte vierwöchige Frist zur Klageerwiderung lief nach Zustellung der Klage am 14.09.2018 am 12.10.2018 ab. Der am 28.09.2018 per Telefax übersandte Schriftsatz der Beklagten erfolgte demnach fristgerecht.

Die Beklagte hat insoweit auch keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Eine Veranlassung zur Klageerhebung ist im Allgemeinen zu bejahen, wenn das Verhalten des Beklagten vor Prozessbeginn gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Herget, a.a.O., § 93 Rn. 3 mwN.). In wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen fehlt sie demgegenüber, wenn das Beschreiten des Klagewegs nicht erforderlich war, weil der Kläger sein Klageziel auch durch freiwillige Unterwerfung des Schuldners hätte erreichen können. Zur Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO bedarf es deshalb vor Erhebung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage einer Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung. Diesem Erfordernis ist die Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2018 (vgl. Anl. 6, BI. 47 ff. d.A.) nachgekommen.

 

Reagiert der Verletzer auf die Abmahnung nicht oder gibt er nur eine unzureichende Unterlassungserklärung ab, setzt er hiermit im Grundsatz die Veranlassung zur Klage (vgl. Herget, a.a.O., § 93 Rn. 6 unter „Wettbewerbsstreitigkeiten“).

 

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe ist hinsichtlich der in der Klageerwiderung anerkannten Unterlassungsansprüche im vorgerichtlichen Verhalten der Beklagten keine Veranlassung zur Klageerhebung zu erkennen. Denn insoweit hatte die Beklagte den Unterlassungsanspruch bereits mit Schreiben vom 16.04.2018 in ihrer ersten Reaktion auf die Abmahnung anerkannt (vgl. BI. 59 ff. d.A.). Im Nachgang hierzu haben die Parteien die Korrespondenz im Wesentlichen nur noch über den bis zum Ende offen gebliebenen Streitpunkt hinsichtlich der lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeit der Werbeangaben gern. Tenor zur Ziff. 1) geführt. Weder das Schreiben der Beklagten vom 16.04.2018 noch spätere Stellungnahmen haben zu erkennen gegeben, dass die Beklagte die Bereitschaft zur Abgabe einer Unterlassungserklärung an einen Verzicht der Klägers bezüglich der darüber hinaus abgemahnten Ansprüche knüpfen wollte. Daher hätte die Klägerin nach Abbruch der mehrmonatigen Korrespondenz nochmals an die Beklagte zur Klärung herantreten müssen, wie diese hinsichtlich der Unterlassungsbegehren, für die von Beginn an Bereitschaft zur Klaglosstellung signalisiert worden war, zu verfahren beabsichtige. Hierfür genügte nicht die von der Klägerin angeführte Formulierung in seinem Schreiben vom 19.06.2018 (vgl. BI. 67/68 d.A.), wonach um eine „abschließende Stellungnahme“ gebeten wurde. Denn auch dieses Schreiben befasste sich lediglich mit den genannten zwei Streitpunkten („BIO“ bzw. „biokompatibel“. Die Beklagte musste demnach zwar damit rechnen, dass die Klägerin die diesbezüglichen Ansprüche hiernach im Klagewege verfolgen würde, wenn sie nicht zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung Bereitschaft zeigte, nicht aber, dass eine Klage auch auf die bereits zugestandenen Unterlassungsansprüche erstreckt werden würde. Ebenso wenig musste die Klägerin angesichts des von der Beklagten gezeigten Verhaltens davon ausgehen, dass sie die vom Teil-Anerkenntnisurteil vom 19.10.2018 erfassten Ansprüche nur im Klagewege würde durchsetzen können.

 

Streitwert: bis 28.09.2018: 30.000 €;

Danach: 9.000 €

 

 

Dr. Brunssen      Dr. Waschkau      Dr. Logemann